Kontextualisierung von NS-Kunst am Bau in Ingolstadt

Grüne Fraktion und ÖDP-Gruppe beantragen Texttafeln zur Einordnung der Werke eines Künstlers der NS-Zeit

Artikel der Süddeutschen Zeitung über den Künstler Martin-Amorbach und seinen NS-Bezug

Ein Artikel der Süddeutschen Zeitung befasste sich am 23.09.2025 mit dem NS-Künstler Oskar Martin-Amorbach. Von diesem gibt es in Ingolstadt mehrere Werke, darunter auch welche an und in öffentlichen Gebäuden der Stadt. In dem Artikel wurde auch aus einem Text auf der städtischen Homepage zitiert, wonach Martin-Amorbach „… wohl unberechtigterweise in den Ruf, dem Nationalsozialismus nahezustehen“ gebracht worden sei.

Süddeutsche widerlegt bisherige Aussage

Dass dies nicht zutrifft, wurde in dem Artikel klar aufgezeigt. Recherchen der SZ hatten vielmehr ergeben, dass Martin-Amorbach wohl zu den Lieblingsmalern von Hitler gehörte, selbst nationalsozialistische Ideale repräsentierte und während der NS-Zeit Karriere machte.

Amorbach mit NS-Vergangenheit

Agnes Krumwiede umreißt es so: „Oskar Martin-Amorbach war ein Profiteur des NS-Regimes und prominenter Vertreter der NS-Propagandakunst. Vom Nationalsozialismus hat er sich Zeit seines Lebens nicht öffentlich distanziert, seine NSDAP-Mitgliedschaft hat er laut SZ-Recherchen sogar vor seiner Familie geheim gehalten. Viele Werke von Martin-Amorbach aus der Zeit des Nationalsozialismus, teils mit eindeutigen Motiven der NS-Ideologie, sind unkommentiert im öffentlichen Raum unserer Stadt zu sehen. Dies ist nicht länger hinnehmbar.“

Grüne Stadtratsfraktion beantragt Kontextualisierung durch Hinweistafeln

Die Grüne Stadtratsfraktion hat heute zusammen mit der Stadtratsgruppe der ÖDP beantragt, neben den Werken von Martin-Amorbach Texttafeln anzubringen, die auf die Entstehung des Werkes und die Biographie des Künstlers hinweisen und damit das jeweilige Kunstwerk historisch einordnen.

Der Antrag im Wortlaut

Stadt Ingolstadt
Herrn Oberbürgermeister
Dr. Michael Kern
Rathaus
85049 Ingolstadt

Ingolstadt, 14. Oktober 2025

Kontextualisierung von Werken des NS-Propaganda-Malers

Oskar Martin-Amorbach in Ingolstadt

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

am 23. September 2025 erschien in der Süddeutschen Zeitung ein bemerkenswerter Artikel über den NS-Künstler Oskar Martin-Amorbach (1897–1987). Werke dieses Malers sind in Ingolstadt zahlreich vertreten – entstanden sind sie allesamt während der Zeit des Nationalsozialismus: das Auferstehungsfresko und „Totentanz“ in der Aussegnungshalle am Westfriedhof Ingolstadt (1934), das Treppenhausgemälde „Einzug des Petrus Canisius in die Universität Ingolstadt“ in der Hohen Schule Ingolstadt (1936), das Deckenfresko in der Klosterkirche St. Johann im Ingolstädter Kloster Gnadenthal (1936), ein Mosaikentwurf für die Spitalkirche Ingolstadt (1939), das Erkerfresko für die Sparkasse Ingolstadt in der Schillerstraße (1941).

In Ingolstadt wurden Amorbachs Werke aus dem Nationalsozialismus bisher weitgehend kritiklos hingenommen, was garantiert auch mit dem biografischen Text über den Künstler auf der Homepage der Stadt Ingolstadt zusammenhängt, worin er „unkritisch gehuldigt“ (Zitat aus der SZ vom 23.09.2025) wurde: „Gerade die Verehrung seiner Kunst durch damals hohe Kreise (Anm. d. Antragssteller: gemeint sind hohe nationalsozialistische Kreise) und die Tat-sache, dass er auch Bilder mit militärischen Motiven malte, brachten ihn wohl unberechtigter-weise in den Ruf, dem Nationalsozialismus nahezustehen.“ Nach Veröffentlichung dieses peinlichen Zitats in der Süddeutschen Zeitung kann dieser Text auf der Homepage der Stadt Ingolstadt nicht mehr aufgerufen werden, was sehr zu begrüßen ist.

Aber dies darf nicht die einzige Konsequenz bleiben aus den Erkenntnissen zu Martin-Amor-bachs NS-Belastung. Denn keinesfalls steht dieser „unberechtigterweise“ in dem Ruf, dem Nationalsozialismus nahegestanden zu haben. Recherchen der SZ zufolge zählte Martin-Amorbach zu Hitlers Lieblingsmalern: 1937 kaufte Hitler eines der bekanntesten Bilder („Der Sämann“) für 6.000 Reichsmark, ein Jahr später zahlte er 12.000 Mark für den „Erntegang“. 2

Zum 1. Mai 1937 trat Martin-Amorbach der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 4.692.046). Im Jahr 1939 verlieh Hitler ihm persönlich den Professorentitel, ab 1943 lehrte Martin-Amorbach an der Akademie der bildenden Künste in Berlin. Insgesamt 13 seiner Werke wurden bei der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ gezeigt, einer zwischen 1937 und 1944 jährlich statt-findenden NS-Propagandaausstellung im Haus der Kunst, zu welcher ausschließlich vom NS-Regime bevorzugte Kunst ausgewählt wurde. In seinen Motiven – beispielsweise favorisierte Martin-Amorbach Abbildungen des arischen Landvolkes – und seiner Stilistik – mit den von den Nazis als „entartete Kunst“ diffamierten Stilrichtungen konnte er nichts anfangen – repräsentierte Martin-Amorbach eindeutig nationalsozialistische Ideale. Der Münchner Archäologe Harald Schulze sagte gegenüber der SZ, Martin-Amorbachs Werk „Totentanz“ in der Aussegnungshalle auf dem Ingolstädter Westfriedhof sei „ein Schlüsselwerk früher NS-Kunst“. Zwar musste der Künstler nach dem Krieg im Auftrag der Stadt drei auf dem Gemälde abgebildete offenkundige Nazis übermalen, die Wehrmachtssoldaten blieben erhalten.

Auf der Liste der „Gottbegnadeten“, auf welcher über eintausend Akteure aus dem NS-Kulturbetrieb verzeichnet wurden, steht Martin-Amorbachs Name nicht. Die Auswahl der dort genannten Künstler*innen wird von Historiker*innen jedoch ohnehin als „nicht schlüssig“ er-achtet: Auch andere „Hardliner“ neben Oskar Martin-Amorbach seien auf dieser Liste nicht vertreten (Quelle: DHM, die „Gottbegnadeten-Liste“, https://www.dhm.de/lemo/kapi-tel/der-zweite-weltkrieg/kunst-und-kultur/die-gottbegnadeten-liste).

Oskar Martin-Amorbach war ein Profiteur des NS-Regimes und prominenter Vertreter der NS-Propagandakunst. Vom Nationalsozialismus hat er sich Zeit seines Lebens nicht öffent-lich distanziert, seine NSDAP-Mitgliedschaft hat er laut SZ-Recherchen sogar vor seiner Fa-milie geheim gehalten. Von der Spruchkammer Rosenheim Land wurde er nach dem Krieg wegen seiner NSDAP-Mitgliedschaft zu 1.000 Mark Geldbuße verurteilt.

Viele Werke von Martin-Amorbach aus der Zeit des Nationalsozialismus, teils mit eindeutigen Motiven der NS-Ideologie, sind unkommentiert im öffentlichen Raum unserer Stadt zu sehen. Dies ist nicht länger hinnehmbar.

Wir beantragen daher,

1. neben den Werken von Oskar Martin-Amorbach, die sich in städtischen Gebäuden befinden, eine Kontextualisierung in Form eines erläuternden Textes vorzunehmen, u.a. sollte darin die Biografie des Künstlers inklusive seiner Karriere im NS, die Entstehungsgeschichte des Werkes, der jeweilige Auftraggeber in Ingolstadt sowie eine historische Einordnung des Kunstwerkes aus heutiger Sicht erwähnt werden.

2. diese Texttafel auch den nicht-städtischen Institutionen in Ingolstadt anzubieten, in deren öffentlichen Räumen Gemälde von Martin-Amorbach zu sehen sind.

3. auf der Seite der Stadt Ingolstadt eine ungeschönte Biografie des Künstlers auf Basis des aktuellen wissenschaftlichen Forschungsstandes zu veröffentlichen.

4. sich wegen der Recherchen und dem Verfassen des Inhalts der Tafel und der Biografie an eine/n externe/n Historiker*in mit Lehrtätigkeit an einer Universität zu wenden.

Begründung

Die unkommentierte Präsenz von NS-Kunst im öffentlichen Raum benötigt auch in Zeiten knapper Haushaltskassen unsere Aufmerksamkeit: Es besteht Handlungsbedarf. Kunst von regimetreuen NS-Künstlern muss nicht zwangsläufig entfernt werden, aber eine Kontextualisierung ist notwendig. Das Verfassen einer erklärenden und historisch einordnenden Texttafel sowie einer wissenschaftlichen und nicht beschönigenden Biografie über Oskar Martin-3

Amorbach muss nicht mit zusätzlichen Mitteln verbunden sein: Eine Kooperation mit einer/m an einer Universität lehrtätigen Historiker*in bietet sich an, die wissenschaftlich Auseinander-setzung mit Oskar Martin-Amorbach kann auch für Studierende interessant sein und bei-spielsweise zum Inhalt einer Masterarbeit werden.

Mit freundlichen Grüßen,

gez. Agnes Krumwiede, Stadträtin BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
gez. Barbara Leininger, Fraktionsvorsitzende BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
gez. Dr. Christoph Spaeth, Fraktionsvorsitzender BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
gez. Christian Höbusch, Stadtrat BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
gez. Maria Segerer, Stadträtin BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
gez. Jochen Semle, Stadtrat BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN

gez. Fred Over, Stadtrat ÖDP
gez. Raimund Köstler, Gruppensprecher ÖDP

Antrag zum Download als pdf

Kontextualisierung von Werken des NS-Propaganda-Malers
Oskar Martin-Amorbach in Ingolstadt