Haushalt

Haushaltsrede Stadtratssitzung 10.04.2025

„Wir wollen, wir werden nicht einfach nur verwalten, wir werden entschlossen gestalten. Unsere Aufgabe ist es, diese Krise als Chance zu begreifen und Ingolstadt auf eine nachhaltige, klimasensible und soziale Zukunft auszurichten.“

Rede zur Haushaltsdebatte 2025 im Stadtrat Ingolstadt

Fraktionsvorsitzender Christian Höbusch der Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

liebe Bürgermeisterinnen,
Kolleginnen und Kollegen,
liebe Bürgerinnen und Bürger,

wir sind heute in einer der schwierigsten Haushaltssituationen in der Geschichte Ingolstadts.

Ingolstadt, lange Zeit eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte, muss sich eingestehen: Unsere finanziellen Spielräume schrumpfen, sind weg. Der Haushalt 2025 und vor allem die Planungen für die kommenden Jahre, die politische Lage JETZT, zwingt uns zum Umdenken.

Aber eines ist dabei für uns klar: Wir wollen, wir werden nicht einfach nur verwalten, wir werden entschlossen gestalten. Unsere Aufgabe ist es, diese Krise als Chance zu begreifen und Ingolstadt auf eine nachhaltige, klimasensible und soziale Zukunft auszurichten.

Denn eines ist sicher: Ein erneutes „Weiter so“ kann es nicht geben.

Was heißt das konkret?

1. Kluge Priorisierung beim Sparen

Sparen ist notwendig, aber nicht auf Kosten unserer Zukunft. Unser Fokus muss darauf liegen, Kernaufgaben der Stadt zu sichern:

• Bildung und Betreuung, weil Investitionen in Kinder und Jugendliche keine Option, sondern Pflicht sind.
• Nachhaltige Infrastruktur, weil eine moderne Stadt nicht auf Beton, sondern auf Zukunftstechnologien aufbauen muss.
• Soziale Sicherheit, weil wirtschaftlicher Wandel nur funktioniert, wenn niemand zurückgelassen wird.

Pauschale Kürzungen und das Bedienen von Einzelinteressen schwächen unsere Stadt langfristig. Stattdessen müssen wir gezielt investieren, um Ingolstadt widerstandsfähiger zu machen – sozial, wirtschaftlich und ökologisch.

Unsere Konsolidierungskonzepte, momentan sind wir ja mitten in der 2. Runde, sind Grundsteine, ich betone Grundsteine, dafür.

Ingolstadt ist, unsere Finanzen sind momentan in der Sauna. Wir schwitzen raus, was geht, um wieder leichter, handlungsfähiger zu werden. Wir müssen danach dann aber auch Ruhe finden, sonst überhitzen wir.

Nun einige weitere wichtige Aspekte dabei aus unserer Sicht:

2. Eine zukunftsfähige Wirtschaft für Ingolstadt

Die Automobilindustrie ist und bleibt ein wichtiger Teil Ingolstadts. Aber wir müssen realistisch sein: Der Wandel ist da, und wir müssen ihn aktiv, aktiver gestalten, statt ihm hinterherzulaufen.

Wir begrüßen die gemeinschaftlichen Anstrengungen bei Audi zur Sicherung des Standortes, aber wir müssen für die Stadt weiterdenken.

• Wir brauchen eine gezieltere Wirtschaftsförderung, die über Audi hinausdenkt, ohne Denkverbote.
Start-ups, innovative Mittelständler und nachhaltige Technologien müssen aktiv angesiedelt werden. Unsere IFG zeigt hier schon sichtbare Bemühungen. Danke dafür.

• Wir müssen die Energie- und Wärmewende in Ingolstadt weiter vorantreiben. Investitionen in erneuerbare Energien schaffen nicht nur Unabhängigkeit, sondern auch Arbeitsplätze.

• Wir brauchen eine moderne Mobilitätsstrategie, die auf umweltfreundliche Alternativen setzt, statt sich immer wieder in neuen Diskussionen über neue Straßen und Parkplätze zu verlieren.

Eine grüne, eine grünere Wirtschaft ist kein Widerspruch zu Wohlstand – sie ist seine Voraussetzung. Wer glaubt, dass wir durch Festhalten am Alten die Zukunft sichern, der wird von der Realität überholt werden.

3. Migration als Herausforderung und Chance

Ein weiteres Thema, das beständig über uns schwebt, ist die Migration.

Wir alle wissen, dass Ingolstadt – wie viele Städte in Deutschland – mit steigenden Zuwanderungszahlen konfrontiert ist. Migration ist eine Realität unserer Zeit, die Chancen, aber auch Herausforderungen mit sich bringt. Wir müssen und wollen die Realität der Migration anerkennen.

• Viele Zugewanderte kommen zu uns, weil sie Schutz suchen. Verfolgte genießen Asyl. Punkt.
• Andere Zuwanderer sind als Fachkräfte dringend notwendig – insbesondere in Branchen mit Personalengpässen wie Gesundheit, Pflege, Handwerk oder IT. Diesen Menschen müssen wir mehr Möglichkeiten bieten und ihnen ihren Einstieg bei uns erleichtern. Ich sage hier nur ein Stichwort: Welcome-Center.
• Gleichzeitig müssen wir aber auch feststellen, dass Zuwanderung gesteuert und moderiert werden muss, dass Integration nicht automatisch gelingt. Sprachbarrieren, Bildungsrückstände und soziale Spannungen sind Herausforderungen, die wir angehen müssen.

Wer sich in unsere Gesellschaft einbringen, unsere Gesetze achten will, ist uns willkommen.

Integration ist eine Investition, kein Kostenfaktor.

Ja, Migration kostet zunächst Geld – für Unterbringung, Sprachkurse, Bildung und Sozialleistungen.

Aber:
• Gelingende Integration zahlt sich langfristig aus. Jeder Mensch, der hier arbeitet, Steuern zahlt und zur Gesellschaft beiträgt, stärkt Ingolstadt wirtschaftlich und sozial.
• Fehlende Integration hingegen kostet noch mehr – wenn Menschen dauerhaft auf Sozialleistungen angewiesen sind oder gesellschaftliche Konflikte entstehen.

Deshalb brauchen wir eine aktive Integrationspolitik in Ingolstadt:

• Mehr Sprachförderung und Bildungsangebote, damit Zugewanderte schnell in den Arbeitsmarkt finden.
• Eine engere Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, um Fachkräfte gezielt zu vermitteln.
• Gleichzeitig müssen wir klare Erwartungen formulieren: Integration bedeutet Teilhabe, aber auch Verantwortung. Unsere Gesetze und Regeln eines friedlichen Zusammenlebens sind zu achten.

Wir dürfen Migration nicht den Populisten überlassen, die einfache, schnelle Lösungen versprechen, damit aber nichts lösen. Wir müssen Migration für unsere Zukunft gestalten.

4. Keine Chance für Populismus und Spaltung

Meine Damen und Herren, in dieser neuen Zeit wirtschaftlicher Unsicherheit erleben wir überall in Europa, auf der Welt und in Deutschland – und auch hier in Ingolstadt – einen gefährlichen Trend: Populistische Kräfte nutzen die Ängste der Menschen für ihre Zwecke. Sie bieten einfache Antworten auf komplexe Probleme. Sie versprechen Lösungen, die nicht umsetzbar sind. Und sie schüren gezielt Ressentiments gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen oder politische Institutionen, um die Gesellschaft zu spalten.

Doch ich sage Ihnen klar: Populismus wird keine neuen Arbeitsplätze schaffen. Er wird keine Haushaltskrise lösen. Er wird Ingolstadt nicht in die Zukunft führen.

Ja, es gibt berechtigte Sorgen in der Bevölkerung. Menschen haben Angst vor sozialem Abstieg, vor Arbeitsplatzverlust, vor steigenden Kosten. Diese Sorgen müssen wir ernst nehmen. Aber die Antwort darauf kann nicht Hetze und Spaltung sein.

Unsere Aufgabe als Stadtgesellschaft ist es, echte Lösungen zu erarbeiten, in Dialog zu gehen, Kompromisse zu finden und nicht Feindbilder zu pflegen. Wir brauchen konstruktive Politik, die schwierige Entscheidungen trifft, aber auch Perspektiven schafft. Politik, die auf Zusammenhalt setzt, nicht auf Spaltung.

Es braucht auch bei uns die starke demokratische Mitte. Und in dieser Mitte müssen wir aufhören, uns gegenseitig Ideologie vorzuwerfen, denn wir in der Mitte teilen letztlich den gleichen Wertekanon, halt nur in unterschiedlich Akzentuierungen.

Und so komme ich nun zu meinem letzten Punkt.

5. Ein neuer Gesellschaftsvertrag für Ingolstadt

Die aktuelle finanzielle Krise Ingolstadt fordert uns alle – Politik, Wirtschaft und Bürger. Wir brauchen daher einen neuen Gesellschaftsvertrag.

• Die Stadt kann und darf nicht mehr alles finanzieren.
• Unternehmen müssen mehr Verantwortung für den Standort übernehmen
• Bürgerinnen und Bürger müssen sich auf Veränderungen einstellen, aber auch stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden werden.

Das bedeutet:

• Mehr Mitnahme der Bürgerinnen und Bürger bei wichtigen Entscheidungen: Wenn Einsparungen notwendig sind, dann sollten sie maximal transparent sein und dort, wo möglich, auch unter Einbeziehung der Bevölkerung erfolgen.

• Mehr Eigenverantwortung und bürgerschaftliches Engagement: In vielen Bereichen können Bürgerinnen und Bürger selbst aktiv werden – sei es bei der Energiewende, bei sozialen und ökologischen, bei ehrenamtlichen Projekten oder durch die Unterstützung lokaler Initiativen.

Und schließlich:

• Wir müssen noch mehr Verständnis für die Notwendigkeit von Veränderungen schaffen: Wandel ist nie einfach, aber Stillstand ist keine Option.

Fazit: Jetzt die richtigen Weichen stellen.

Im Finanzausschuss letzte Woche habe ich davon gesprochen, dass der Sturm schon da ist. Ein Sturm kann zerstören, ja, aber er kann auch Klarheit und Raum für Neues schaffen.

Diese Haushaltsdebatte ist mehr als eine Zahlenfrage. Sie ist eine Richtungsentscheidung. Wir können entweder Verwalter des Niedergangs sein – oder Gestalter einer neuen Zukunft für Ingolstadt.

Die Grünen stehen für eine Politik, die vorausschauend plant, die wirtschaftliche Vernunft mit sozialer Gerechtigkeit verbindet und die ökologische Verantwortung nicht aus dem Blick verliert.

Ich bin überzeugt: Wenn wir jetzt entschieden die richtigen Entscheidungen treffen, wenn wir zusammenhalten, wenn wir uns nicht von Populismus und Spaltung leiten lassen, wenn die Mitte der Demokraten zusammensteht, zusammenarbeitet, dann wird Ingolstadt auch in den nächsten Jahrzehnten eine wirtschaftlich starke, lebenswerte Stadt bleiben.

Ich danke schließlich dem Finanzreferenten, der Kämmerei, der gesamten Stadtverwaltung für ihre tolle Arbeit. Bitte weiter so, wir brauchen Sie!

Und zum Ende möchte ich ihnen, euch noch ein Zitat von Hamed Abdel-Samad, dem in Deutschland unter ständigem Polizeischutz stehenden Schriftsteller ägyptischer Herkunft, aus seinem Buch „Der Preis der Freiheit“ mit auf den Weg geben:

„Freiheit ist kein Happy End, sondern ein ständiges Bemühen, umsichtig, verantwortungsbewusst, wachsam und bereit für Veränderungen zu sein. Sie ist unsere Art, dem Leben dafür zu danken, dass wir leben dürfen!“

Nehmen wir uns diese Freiheit, leben wir sie.

Danke

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