Die Garagen- und Stellplatzverordnung der Stadt Ingolstadt ist fast 30 Jahre alt. In dieser Zeit hat sich bei der Mobilität einiges getan. Nicht nur die Verkehrslandschaft hat sich verändert, auch das Mobilitätsverhalten ist nicht mehr mit damals vergleichbar.
Gerade die Entwicklungen und Ereignisse in jüngerer Zeit haben viele Menschen zum Nach- und auch Umdenken gebracht: Die fortschreitende Klimakrise ist vielen bewusster geworden und seit der Corona-Pandemie ist unsere Arbeitswelt nicht mehr dieselbe. Und nicht zu vergessen der Krieg in der Ukraine mit seinen ganzen Auswirkungen auf die westliche Welt hat bei etlichen Menschen ein Umdenken bewirkt.
Wie viele andere Menschen in Deutschland sind auch die Einwohner*innen von Ingolstadt jetzt oft umweltbewusster und klimaschonender unterwegs. Das sollte sich auch im ruhenden Verkehr widerspiegeln, ohne die Menschen in ihrer persönlichen Mobilität einzuschränken. Das Ziel – auch zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2035 – ist, die Notwendigkeit für Autos zu reduzieren, indem eine nachhaltige Mobilität angeboten wird. Das sollte sich auch in einer Neufassung der Stellplatzverordnung niederschlagen, mit welcher zukunftsfähige Mobilitätskonzepte bei neuen Bauvorhaben entsprechend gefördert werden.
Hier der Antrag im Wortlaut:
Ingolstadt, 3. März 2023
Flexibilisierung des Stellplatzschlüssels – Mobilitätskonzepte bei neuen Bauprojekten
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
die Stellplatzverordnung der Stadt Ingolstadt stammt aus dem Jahr 1995. In mehr als einem Vierteljahrhundert haben sich Arbeitswelt, Mobilitäts- und Freizeitverhalten der Ingolstädterinnen und Ingolstädter entscheidend verändert. Infolge der Klimakrise und der Pandemie hat sich diese Entwicklung noch beschleunigt. Sehr viel mehr Menschen sind heute umweltfreundlich und klimaschonend zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV unterwegs zur Schule, zur Arbeit und zum Einkaufen.
Das veränderte Mobilitätsverhalten der Bewohner*innen hat jedoch bisher keinen Effekt auf den Platz, den wir dem ruhenden Verkehr im Wohnungsbau einräumen.
Grundsätzlich stellt sich daher die Frage, wie die Anzahl von oberirdischen Stellplätzen und Tiefgaragenplätzen im Wohnungsbau reduziert werden kann, ohne das Mobilitätsverhalten der Bewohner*innen einzuschränken.
Das Ziel sind autoreduzierte Wohnquartiere, in denen die Bewohner*innen bedarfsgemäß und bequem auf einen alltagstauglichen Mix an Mobilitätsangeboten zurückgreifen können. Das Ziel muss auch sein, nur so viele oberirdische Stellplätze vorzuhalten und Tiefgaragenstellplätze zu bauen, wie am Ende noch benötigt werden.
Wir stellen daher folgenden
Antrag:
- Die Verwaltung überarbeitet die Garagen- und Stellplatzsatzung mit dem Ziel, nachhaltige Mobilität zu fördern, indem das Mobilitätsverhalten der zukünftigen Mieter*innen als wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz und zur Erreichung der Klimaneutralität 2035 betrachtet wird.
- In der neuen Fassung ist vorzusehen, dass bei allen Neubauvorhaben ein detailliertes und plausibles, der Größe des Vorhabens entsprechendes Mobilitätskonzept vorgelegt werden kann, auf dessen Grundlage der Stellplatzschlüssel verringert und angepasst werden kann.
- Die Verwaltung erstellt Leitlinien für den zu erwartenden Inhalt des Mobilitätskonzepts: Carsharing, ausreichend Abstellplätze für Fahrräder, Lastenfahrräder, Fahrradanhänger und E-Bikes, ein Verleihsystem, ÖPNV-Angebote einfach abrufbar, Co-Working-Plätze, Paketstationen und Anlaufstationen für Lieferservice, …
- Die Verwaltung unterstützt die Erstellung des Mobilitätskonzepts bei der Analyse der verkehrlichen Situation im Stadtquartier und bei der Abstimmung auf die örtlichen Gegebenheiten und Nahversorgung im unmittelbaren und weiteren Radius des Projekts.
Die Stellplatzsatzung braucht eine Anpassung an die veränderte Mobilitätsrealität und die Erfordernisse der Energie- und Verkehrswende.
Wir bauen weiter Tiefgaragen und Stellplätze wie vor Jahrzehnten, obwohl wir wissen, dass die Entlastung des öffentlichen Straßenraums und die Reduzierung der Schadstoffemissionen durch weniger motorisierten Individualverkehr zur Erreichung der Klimaziele von zentraler Bedeutung sind.
Die Frage, wie viele Stellplätze pro Wohneinheit nachgewiesen werden müssen, beschäftigt selbstredend auch die Investoren, da besonders der Bau von Tiefgaragen einen großen materiellen und finanziellen Aufwand erfordert.
Immer mehr rückt auch der ökologische Fußabdruck von Tiefgaragen in den Vordergrund, da in Tiefgaragen große Mengen an Stahl und Beton verbaut werden und Tiefgaragen weder abgerissen noch einer anderen Nutzung zugeführt werden können.
Trotzdem werden weiterhin erhebliche Investitionen in die Bereitstellung von Kfz-Stellplätzen gelenkt. Ein flexibel reduzierbarer Stellplatzschlüssel, der an ein jeweils vom Investor vorzulegendes Mobilitätskonzept gebunden ist, kann nachhaltige Mobilität entscheidend fördern und Baukosten verringern.
Wie wir zuletzt am Rietergelände gesehen haben, fehlt in Ingolstadt mittlerweile Investoren der Anreiz, vom vorgeschriebenen Stellplatzschlüssel abzuweichen, obwohl gleichzeitig – wie im Fall des Rietergeländes – ein viele Seiten umfassendes und detailliert ausgearbeitetes Mobilitätskonzept vorgelegt wurde. Diese kontraproduktive Situation verlangt nach einer Lösung.
Allerdings zeigt die Ablehnung des Mobilitätskonzepts der Bayernheim im Rahmen des Bauprojekts an der Stinnesstraße auch ganz deutlich, dass eine Reduzierung des Stellplatzschlüssels von einer wirksamen Parkregelung in den benachbarten Straßen und Quartieren begleitet sein muss und mit einer Ausweitung des Anwohnerparkens dort geregelt sein muss. Die Erfahrung zeigt leider, dass private Stellplätze häufig als Abstellraum genutzt werden, während weiter auf der Straße geparkt wird. Daher muss die nähere Umgebung des geplanten Bauprojekts in einem angemessenen Radius untersucht werden.
Mit freundlichen Grüßen
Barbara Leininger (Fraktionsvorsitzende)
Christian Höbusch (Fraktionsvorsitzender), Agnes Krumwiede, Stephanie Kürten, Maria Segerer, Dr. Christoph Spaeth
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